Eine unvergessliche Reise in die Vergangenheit
Ein Bericht von Karl Weber, Fußgönheim

Voraussetzungen, historische Bedeutung und mögliche Auswirkungen der Reise

83 Bulkeser, Angeheiratete und Nachkommen, davon 75 aus Deutschland und 8 aus Österreich, reisten im September 2006 in die alte Heimat. Vor allem um dort nach über 60 Jahren ihren in Massengräbern ruhenden Angehörigen endlich einen geistlichen Beistand zu geben und ihnen die letzte Ehre erweisen zu können. Aber auch, um ihren geliebten Heimatort noch einmal zu sehen und ihren Angeheirateten und Nachkommen zu zeigen.
Ähnliche Reisen machten andere Heimatortsgemeinschaften auch. Doch in diesem Falle kommen einige Aspekte hinzu, welche dieser Reise von vornherein eine besondere Note gaben:

Die Gemeindevertretungen von Jarek und Temerin genehmigten über den Welddachverband der Donauschwaben an den Massengräbern zum ersten Mal eine offizielle Gedenkfeier, die von der Heimatortsgemeinschaft Bulkes veranstaltet wurde.
Es sei hinzugefügt, dass die Gemeinde Bulkes mit 655 Todesopfern (innerhalb eines Jahres!) die höchste Zahl aller betroffenen Gemeinden im Vernichtungslager Jarek hatte, auch prozentual.
Das wird auch daran deutlich, dass Bulkes mit 170 verhungerter Kinder in Jarek ebenfalls die absolut und prozentual höchste Sterbezahl hatte.
Doch die Verluste der älteren Bulkeser Menschen mit 65 Jahren und älter im Vernichtungslager Jarek sind nahezu unfaßbar. Von 295 Personen dieser Altersgruppe aus Bulkes verhungerten in Jarek 286! Hier ist noch anzufügen, dass von den 9 Überlebenden in den anderen Lagern anschließend noch einmal 6 verhungerten. Von Bulkes haben also nur drei ältere Menschen die Lager überlebt!

Auch der Vergleich der seinerzeitigen rund 2700 Einwohner aus Bulkes, mit einer ähnlichen Zahl an Einwohnern des heutigen Maglic zeigt eine Besonderheit:

Seit fast 60 Jahren lebt kein einziger Bulkeser mehr in seinem Heimatort. Ebenso hat von den Bewohnern der vergangenen 60 Jahre kein einziger mit uns in Bulkes gelebt.


Zwischen den Gemeindevertretungen des heutigen Maglic und des Bulkeser Heimatausschusses gab es nur
spärliche Kontakte. Einzelpersonen besuchten immer wieder ihren Heimatort und wurden in der Regel freundlich aufgenommen. Gewünschte standesamtliche Urkunden wurden bereitwillig ausgestellt.

Andererseits war bekannt, dass die Kirche im Innenraum einer Ruine gleicht und der noch bestehende Restfriedhof völlig mit Dickicht überwachsen war. Ebenso, dass im Maglicer Heimatbuch und in den Maglicer Internetseiten die Wahrheit über das Schicksal der Bulkeser verschwiegen und die Unwahrheit verbreitet wird. Unter diesen Gegebenheiten reisten wir mit gemischten Gefühlen in unseren Heimatort.

Unser Reiseprogramm mit zwei Bussen und insgesamt 100 Bulkesern mit Angehörigen und Nachkommen,  gleich zwei Bulkeser Geistlichen und 5 Gedenk-Feierstunden, davon drei an den Massengräbern in Gakowa, in Jarek und in Mitrowitz sowie auf dem Friedhof und im Vorraum der Kirche in Bulkes im Programm, dürfte ohnegleichen sein.

Auch die unwiderbringliche Art des im Folgenden beschriebenen Reiseablaufes
mit den Gedenkveranstaltungen an den Massengräbern in Gakowa, Jarek und Mitrowitz, der Empfang im Heimatort Bulkes durch die heutigen Maglicer Bewohner und die beiden Gedenkveranstaltungen in Bulkes hätten kaum positiver verlaufen können.

Nimmt man noch hinzu, dass diese Reise mögliche Auswirkungen in Bezug auf die Verbreitung der Wahrheit über das Schicksal der Donauschwaben in der Wojwodina für die Zukunft erwarten läßt, erreicht die Bedeutung dieser Mission der Bulkeser eine historische Dimension.

Vorplanungen und Reisevorbereitungen

Nach monatelangen Vorplanungen mit Reiseausschreibungen, Hotelreservierungen, Busbestellungen, näheren schriftlichen Kontaktierungen mit der Gemeindevertretung in Maglic seitens unserer Heimatortsgemeinschaft und mehreren direkten Gesprächen von Hans Supritz, dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Donauschwaben in Deutschland, sowie Josef Jerger, dem Präsidenten des Weltdachverbandes der Donauschwaben, mit den Gemeindevertretern von Jarek und Temerin zur Genehmigung und Akzeptanz unserer Vorstellungen zum Veranstaltungsprogramm, konnte die Reise beginnen.


Reiseart:

15 PKW- Reisende

 
4 Flugzeug-Reisende
64 Bus-Reisende, dazu kamen für die ganze Reisezeit

 
3 Bulkeser, die in Serbien beheimatet sind.


Die ersten Anreisenden – die letzten vorbereitenden Gespräche

Zunächst reisten Vorsitzender Franz Jung und Jurist und Dolmetscher Wilhelm Bauderer mit Gattinnen  mit dem PKW in Richtung alte Heimat und trafen dort bereits am Montag den 11. September in unserem Hotel in Neusatz (Novi Sad) ein.

Dienstags und Mittwochs führten sie insgesamt 6 Stunden lang sehr erfreuliche Gespräche in Maglic mit Ortsvorsteher Radomir Zotovic und anderen Vertretern der Gemeinde. In diesen Tagen konnten Franz Jung und Wilhelm Bauderer zusammen mit Hans Supritz und Josef Jerger, die zu dieser Zeit in Jarek die letzten vorbereitenden Gespräche führten, die Örtlichkeiten in Jarek in Augenschein nehmen und im Restaurant über das Mittagessen, dass nach der Gedenkfeier stattfinden sollte, alles Nötige besprechen.


Donnerstag, 14. September, 1. Tag der Busreisenden

Die beiden 50 Personen Luxus-Fernreisebusse-Busse der Firma Rau-Touristik aus Dannstadt waren mit insgesamt 64 Personen nur zu zwei Dritteln belegt. Sie fuhren zwei verschiedene Reiserouten,
-  von Karlsruhe mit Haltestellen in Pforzheim, Echterdingen, Kirchheim/Teck, München und Autobahnraststätte Bergen bzw.
-  von Fußgönheim mit Haltestellen in Speyer, Sinsheim und Nürnberg durch Süddeutschland und trafen sich pünktlich um 14.30 Uhr in Ansfelden in Österreich, wo Verwandte und Bekannte gegenseitig umsteigen konnten und eine weitere Teilnehmerin dazu kam.
Von da ab fuhren die Busse gemeinsam bis nach Rust am Neusiedlersee, wo wir ebenfalls pünktlich um 17.45 Uhr eintrafen. Dort waren wir in drei verschiedenen Hotels gut untergebracht, speisten am Abend und beim Frühstück gemeinsam mit den dort hinzugekommenen weiteren 9 Bulkesern im Sporthotel in Rust. Am Abend konnten wir alle Busteilnehmer gemeinsam begrüßen und den Tagesablauf für den nächsten Tag bekannt geben.

Freitag, 15. September, 2. Tag

Es war uns ein besonderes Anliegen, dass unser erster Weg auf serbischem Gebiet nach Gakowa zu unseren dort ruhenden Angehörigen führte, was einen langen Tag bedeutete.
Nach reichlichem Frühstück vom Buffett fuhren unsere beiden ganz hervorragenden Busführer bereits vor 8 Uhr ab und um Zeit zu gewinnen, die Autobahn von Nickelsdorf über Györ und Budapest bis
Kecskemet. Hier mussten wir die Landstraße bis Baja nehmen, wo wir ganz gut durchkamen. Die Grenze bei Hercegszanto erreichten wir etwa um 15.00 Uhr. Nach einer knappen Stunde waren wir abgefertigt und fuhren auf serbischem Gebiet, angeführt von Anton Beck aus Sombor, der uns abholte und auf dem kürzesten Weg nach Gakowa brachte, wo uns Hans Supritz, Josef Jerger, und Franz Jung erwarteten.


Die Gedenkfeier in Gakowa, zu Ehren der Bulkeser Toten in Gakowa und Kruschiwl

Das über 6 Meter hohe Gedenkkreuz war schon von weitem zu sehen und führte meine Gedanken in die Vergangenheit zurück, in die Zeit, wo ich im Lager Gakowa verbrachte.
Über den ehemaligen Gakowaer Friedhof schritten wir zum Gelände der Massengräber an das Gedenkkreuz, dessen mächtige Erscheinung auf den Bildern so kaum zu erkennen ist.

Nach dem Aufbau unserer mitgebrachten Anlage zur Begleitung mit Orgelmusik unserer Gedenkfeier, eröffnete Josef Jerger, Präsident des Weltdachverbandes der Donauschwaben, mit seiner Begrüßungsansprache die Feierstunde, wobei er insbesondere auf das Vernichtungslager mit über 8000 Toten einging und die Entstehung dieses würdigen Gedenkkreuzes erläuterte.



Im Anschluß an seine wohltuenden einführenden Worte hatte ich die Ehre, für uns Bulkeser das Grußwort zu sprechen, wo ich den Dank unserer Heimatgemeinschaft für die Anwesenheit unserer beiden ranghöchsten landsmannschaftlichen Vetretern der Donauschwaben, Hans Supritz und Josef Jerger zum Ausdruck bringen konnte, ebenso den Dank für ihre großen Verdienste zur Entstehung der Gedenkstätte.

Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Näher, mein Gott, zu dir“, begleitet von Orgelmusik, gaben alle Anwesenden diesem Feldgottesdienst nun ein gemeinsames Gepräge.

Ich hatte auch die große Ehre, die Gedenkansprache für unsere 37 in Gakowa und Kruschiwl umgekommenen Bulkeser Landsleute halten zu dürfen. Durch meine jahrelange Tätigkeit im Arbeitskeis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, hätte ich stundenlang über die kaum zu beschreibenden Umstände über das Ableben unserer Landsleute berichten können. Schließlich liegen über die beiden Todeslager Gakowa und Kruschiwl Hunderte an Erschütterung kaum zu übertreffende Personenberichte vor. Ich erinnerte auch daran, dass Gakowa der Ausgangspunkt für fast alle Kindertransporte aus der Batschka in die Kinderheime in ganz Jugoslawien war, wie auch für über 100 Bulkeser Kinder.

Unter den Klängen „Ich hatt einen Kameraden“ war es dann Katharina Henning, geb. Schneider und Jakob Hoffmann, ihre Großmutter, bzw. sein Großvater ruhen in Gakowa bzw. in Kruschiwl unter den Toten, vorbehalten, den Kranz  mit der Aufschrift „ Zum Gedenken an unsere hier und in Kruschiwl ruhenden Bulkeser Angehörigen“ niederzulegen.

Diese christliche Andacht, wie auch die Folgenden, wurde von unseren beiden Bulkeser Geistlichen Karl und Siegfried Weber, Vater und Sohn, aus Karlsruhe, gestaltet.
Karl Weber berichtete zunächst über das unbeschreibliche Wiedesehen mit Mutter und Bruder, als er nach dem Überleben des Lagers Jarek als Zwölfjähriger schließlich mit seiner Großmutter nach Gakowa kam und über die Grenze nach Ungarn die Freiheit erlangte.
Im Rückblick verlas er den Text von Psalm 126 „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird....). Er erinnerte an die vielen unserer Angehörigen und Landsleute, welche diese Gefangenschaft nicht überlebt haben und tröstete uns, dass Jesus Christus diese Toten einmal aus ihren Gräbern zur Auferstehung herausrufen wird.
Dann verlas er die Namen unserer 37 Bulkeser toten Angehörigen von Gakowa und Kruschiwl und betonte, dass bei ihrem Sterben in der Regel nicht gebetet werden konnte.
Mit seiner Lesung mit Dank und Hoffnung auf die Verheißung Gottes und die Wiederkunft Jesus Christus beendete er seine Gebete.
Gemeinsam betete dann Siegfried Weber mit den Anwesenden das Gebet des Herrn „Vater unser...“ und erteilte uns den Segen des Herrn.

Zum Abschluß der Gedenkfeier sangen wir gemeinsam das Lied „Harre, meine Seele“. Bereits während des Ablaufes der Gedenkstunde wurde viel fotografiert und gefilmt. Vor allem von unseren offiziell Beauftragten, Jakob Heintz (Foto) und Claudia Wahl (Film).

Bevor wir abfuhren rief
Jakob Heintz zum Gruppenfoto vor dem imposanten Gedenkkreuz, was natürlich auch für Claudia Wahl zum Filmen zu Gute kam.




Die Fahrt von Gakowa nach Neusatz

Erleichtert und zufrieden, dass wir unseren Toten die letzte Ehre geben und Abschied von ihnen nehmen konnten, machten wir uns auf den Weg nach Neusatz, der uns dann über Sombor, Kernei, Sivac, Tscherwenka, Kula, Werbas, Kischker, Altker und Sireg führte. Dabei stellte ich fest, dass die Bahnstrecke von Sombor nach Kula, eigentlich eine Hauptstrecke, immer noch eingleisig und in einem sehr ungepflegten Zustand ist. In den genannten Orten sah es auch nicht gerade einladend aus. Es war mittlerweile dunkel geworden, als wir ohne Probleme unser Hotel Sajam gegen19.30  Uhr erreichten, ohne unseren zweiten Bus, den wir zwischendrinn verloren hatten, der dann etwas später, gelotst von Franz Jung und Fritz Glas, eintraf.
Vor dem Hotel nahm uns dann unser Wilhelm Bauderer in Empfang, der über die vier Tage im Hotel alles bestens organisierte und Ansprechperson für alle Probleme war. Auch Elisabeth Poljanski, das „Germe Liesche“, sie wohnt in Palanka, trafen wir schon vor dem Hotel, sie freute sich sehr, so viele Bulkeser begrüßen zu können. Die PKW- und Flugzeugreisenden waren schon vor uns eingetroffen.
Etwa gegen 20.30 Uhr begann das Abendessen. Natürlich hatte man sich während und nach dem Abendessen viel zu erzählen. Dieser lange Tag für die Busreisenden endete aber dann doch noch vor Mitternacht in durchwegs akzeptablen Zimmern.


Samstag, 16. September, der dritte Tag

Nach dem gemeinsamen Frühstück standen die Busse für die schon lange herbeigesehnte Fahrt nach Jarek bereit. Unsere Busse waren nun durch unsere Flugzeug- und PKW-Reisenden gut ausgelastet. Am Morgen war auch Margarethe Adanski das „Lange Gretche“ aus Vrdnik eingetroffen, sie blieb drei Tage bei uns und freute sich, bei vielen Bulkesern und einigen Schulkameradinnen zusammen zu sein.



Der Tag in Jarek, vielleicht der bedeutendste Tag seit Bestehen der Bulkeser Heimatgemeinschaft

Die Fahrt begann pünktlich um 9.00 Uhr. Nun fuhren wir am Tag durch das in seinen Randgebieten sehr breitflächig angelegte Neusatz und trafen 9.30 Uhr in Jarek in der Nähe der Massengräber ein.

Auch hier erwarteten uns schon unsere Betreuer Hans Supritz und Josef Jerger, aber nicht alleine:
Da war Friedrich Werle mit seiner Familie (er blieb alle vier Tage bei uns) mit mehreren Bulkesern, die nicht bei uns im Hotel wohnten. Da standen auch drei Jareker Frauen mit den 120 roten Rosen die wir bestellt hatten, auch bereits einige offizielle Vertreter verschiedener serbischer, ungarischer und deutscher Organisationen, ebenso deutsche aus der Umgebung.
Gemeinsam begaben wir uns dann auf den etwa 300 Meter langen und frisch eigeebneten, aber noch holprigen Weg an den Massengräber entlang, auf die aber nichts hindeutet, bis zu der Stelle, wo man uns einen Platz am Ende der Massengräber für die Gedenkveranstaltung freigemacht hatte. An dieser Stelle hatte man in der Mitte einen kleinen Hügel errichtet und das von uns bestellte Holzkreuz aufgesteckt.
Bis zum Beginn der Veranstaltung kamen noch einige Gäste hinzu, unter Ihnen auch überraschend aus Maglic, Ortsvorsteher Radomir Zotovic mit mehreren Vertreter der Gemeinde, unter ihnen auch Vinca Marjanovic und Dusan Knezevic.
Ebenso entdeckte ich unter den Gästen auch Professor Dragoljub Zivkovic, Vorsitzender der vom Vojvodina-Parlament eingesetzten Kommission zur Aufklärung der Verbrechen an Zivilpersonen der Vojvodina in und nach dem Zweiten Weltkrieg!
Im Gegensatz zu Gakowa waren hier zahlreiche serbische Gäste. Deshalb hatte Wilhelm Bauderer schon im Vorfeld unsere Ansprachen ins Serbische übersetzt und verteilte Kopien vor unseren Ansprachen. Andererseits wurde die serbische Ansprache von Nenad Dunovic jeweils satzweise von Herrn Burbach aus Neusatz ins Deutsche übersetzt und gesprochen.


Die Gedenkfeier in Jarek

Nach dem Aufbau unserer Anlage (Orgelmusik und Mikrofon) nahmen unsere 20 anwesenden  überlebenden Bulkeser Kinder des Lagers Jarek an der Seite zu den Massengräbern in einem Halbkreis Aufstellung. Ich stand ihnen während der Feier fast gegenüber und sah in ihren zum Teil tränenüberströmten Gesichtern, wie schwer es ihnen in dieser Stunde gewesen sein muss.

Im Nachhinein waren sie wohl alle erleichtert und dankbar, dabei gewesen zu sein. Eine von ihnen sprach das aus, was wohl viele von ihnen fühlten, nämlich, dass sich in ihr etwas gelöst hat, das eine Last von ihr gefallen ist und das sie sich jetzt freier fühlt.

Die Feierstunde begann mit einem Vorspiel mit Orgelklängen.

Die Begrüßungsansprache von Josef Jerger, dem Präsidenten des Weltdachverbandes der Donauschwaben leitete die Ansprachen ein. Es war für ihn, als überlebendes Lagerkind von Rudolfsgnad, eine sehr bewegende Stunde und eine besondere Ehre, als erster, an der Stelle Worte des Gedenkens sprechen zu dürfen, wo vor über 60 Jahren Tausende unserer Landsleute nach einem kaum zu beschreibenden Leidensweg hier ihre letzte Ruhestätte fanden. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es auch hier in Jarek gelingen möge, eine Stätte der Erinnerung und der Mahnung zu errichten.    

Abschließend bat er die Überlebenden und die Nachfolgegenerationen, und hier meinte er nicht nur die Donauschwaben, die leidvolle Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten und Sorge dafür zu tragen, dass solches nie mehr geschehen kann.



Das Grußwort für die Bulkeser sprach Franz Jung, der Vorsitzende unserer  Heimatortsgemeinschaft. Er dankte im Namen aller Bulkeser den Vertetern der Gemeinden Jarek und Temerin für den freundlichen Empfang und die Genehmigung für diese Veranstaltung. Ebenso Hans Supritz und Josef Jerger für ihren großen Einsatz beim  Zustandekommen der Gedenkfeier, wie auch der Organisation zu deren Ablauf.

Er erinnerte an die Charta der Heimatvertriebenen von 1950 in Stuttgart, auf Rache und Vergeltung zu verzichten und das in diesem Zusammenhang auch die Bunderepublik Deutschland uns Heimatvertriebene als Brückenbauer zur Versöhnung sieht und das auch wir Bulkeser diese Rolle gerne übernehmen. Er würdigte diese Begegnung als leuchtendes Beispiel für die gemeinsame und wahrheitsgetreue Aufarbeitung der Geschichte.

Anschließend ergriff für die Gemeinde Temerin und den Ortsverband Jarek der stellvertretende Bürgermeister von Temerin, Nenad Dunovic das Wort. In einer ergreifenden Ansprache richtete er zunächst Willkommensgrüße an alle Anwesenden. Er hob ganz besonders die Bindung des Menschen an seine Heimat und an sein Volk hervor und hat großes Verständnis für die Anliegen der deutschen Volksgruppe. Er bedauerte, dass die Geschichte der Menschheit leider eine Geschichte der Kriege, der Zerstörung und des gewaltsamen Sterbens ist und die meisten Opfer friedliebende Menschen sind. Er glaubt, dass die Zeiten vorbei sind, als man für das Böse starb und in Zukunft ein Leben im Guten vor uns liegt. Ebenso glaubt er, dass die heutige Begegnung ein Schwungrad für zukünftige freundschaftliche und herzliche Beziehungen sein wird. Er ist sich sicher, dass die Gemeinde Temerin und der Ortsverband Jarek, künftig gerne die Gastfreundschaft für solche und ähnliche Besuche anbieten wird.

Nach diesem Grußwort hatten alle Anwesenden die Gelegenheit mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Jesus meine Zuversicht“ persönlich an der Feierstunde aktiv mitzuwirken.

Im Anschluß daran war es mir ein besonderes Anliegen, 60 Jahre nach den leidvollen Geschehnissen zu Ehren unserer 655 Bulkeser Toten für unsere Bulkeser Heimatgemeinschaft die Gedenkansprache halten zu dürfen. Es war für mich sehr bewegend, meine Dankbarkeit an alle aussprechen zu können, die uns diese Stunde ermöglichten, dass wir so nahe bei unseren Angehörigen sein können und endlich von ihnen Abschied nehmen dürfen, stellvertretend für alle Bulkeser, die nicht mehr in der Lage sind, diese Reise auf sich zu nehmen und für alle die, welche mit Trauer im Herzen in den vergangenen 60 Jahren verstorben sind, ohne dass sie Abschied von ihren Liebsten nehmen konnten.

Es war mir auch ein Bedürfnis zum Ausdruck zu bringen, dass wir nicht mit Groll im Herzen hierher gekommen sind, dass wir stetig lernen wollen, andere Menschen zu lieben, zu achten und ihnen nach Kräften Gutes zu tun.

Schließlich betonte ich, dass wir im Sinne der Worte von Dr. Roland Vetter „Nicht zur Vergeltung sind wir entronnen, nicht zu vergessen ist unsere Pflicht“ nun getrost Abschied von unseren Lieben nehmen wollen, ein jeder für sich und gemeinsam für die Heimatortsgemeinschaft Bulkes.

Unter den Klängen „Ich hatt einen Kameraden“ wurden nun die Kränze zum Gedenken an unsere Toten an dem aufgeschütteten Hügel niedergelegt. Für die Heimatortsgemeinschaft Bulkes hatten zwei überlebende Kinder des Lagers Jarek, Elisabeth Heintz und Willi Bauderer die Ehre und für die Landsmannschaft Josef Jerger und Hans Supritz.




Die nun folgenden Gedenkworte, Ansprache und Gebete von Prediger Karl Weber, Karlsruhe, einem überlebenden Kind des Lagers Jarek, werde ich hier ungekürzt wiedergeben.

Diese Worte sind nicht nur das Kernstück dieser Gedenkfeier, ich sehe diese Worte auch als Kernstück dieser Reise in die Vergangenheit überhaupt. Ich denke, treffender und anschaulicher kann man die leidvollen und fast unbeschreiblichen Geschehnisse mit Worten kaum darstellen.

 

 

Gedenken und Ansprache in Jarek am 16. September 2006
von Prediger i.R. Karl Weber, Karlsruhe


Lobet, ihr Völker, unsern Gott, lasst seinen Ruhm weit erschallen,
der unsere Seelen am Leben erhält und lässt unsere Füße nicht gleiten.
Denn, Gott, du hast uns geprüft und geläutert, wie das Silber geläutert wird;
Du hast uns in den Turm werfen lassen, du hast auf unseren Rücken eine Last gelegt,
du hast Menschen über unser Haupt kommen lassen, wir sind in Feuer und Wasser geraten.
Aber du hast uns herausgeführt und uns erquickt.

(Psalm 66, 8-12)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute und Angehörige!  

Nach 60 Jahren befinde ich mich zum ersten Mal wieder an dem Ort, wo ich mit vielen anderen Leidensgenossen die schwersten Tage, Wochen und Monate meines Lebens zubrachte. Es ist ohne Zweifel ein anderer Ort geworden, in einer anderen Zeit und mit anderen Menschen.

Und doch ist es für mich sehr bewegend, hier zu sein. Es fällt mir nicht leicht zu sprechen, doch ich tue es, um als ein Überlebender und Zeitzeuge jener Zeit vor 60 Jahren den hier Umgekommenen und Überlebenden eine Stimme zu geben. Ich möchte es nicht anklagend und im Groll tun, sondern als Mahnung an uns und unsere Völker, allem Hass und Krieg abzusagen, denn er hat   über uns alle nur viel Leid und Unheil gebracht.

Eben weil ich dieses Gedenken nicht als Unbeteiligter, sondern als unmittelbar Betroffener und Überlebender jener schweren Zeit halte, geht es nicht ohne sehr persönliche Erinnerung. Es ist eine schmerzliche Erinnerung an eine dunkle Zeit, aber auch eine dankbare Erinnerung an vielfache Hilfe, die ich und manch andere damals erfahren durften.

Zwei Gedankenkreise bewegen mich dabei:

  1. Die Erinnerung an die traumatischen Erlebnisse in Jarek.
  2. Die wunderbare Errettung und Dankbarkeit für mancherlei Hilfe.

 
1. Die Erinnerung an die Erlebnisse in Jarek


Vieles von dem, was damals gewesen ist, steht heute wieder neu vor mir und gewiss auch vor den meisten von denen, die mit mir diese schwere Zeit erlebt, erlitten und überlebt haben. Im III. Band des Leidenswegs sind ja die Schicksale der Kinder und Erwachsenen sehr eindrücklich geschildert.

Als 10jähriger Bub sah und hörte ich zum ersten Mal von Jarek, als wir vor dem langen Zug mit Schotterwaggons standen, darauf stand mit Kreide „Jarek“. Ich sehe die Erwachsenen noch vor mir, die sich bedrückt ansahen und miteinander flüsterten. Bald sollten wir alle die schlimme Realität dieses Namens und Ortes kennen lernen. Ich sehe noch heute den Schimmel, der den Leiterwagen mit den Toten zog. Ich sehe die beiden Männer, die mit der Tragbahre ins Haus kamen, um die Verstorbenen abzuholen. Sie trugen die Leichen bis an die Seite des Leiterwagens und kippten sie dann mit einem Ruck auf die anderen Toten, gleichgültig, ohne Rücksicht auf Würde und Pietät. Ich höre auch noch das tägliche und vor allem nächtliche Gejammer und Wehklagen der Kranken und Sterbenden in den überfüllten Zimmern.

Es war kein Sterben, dieser Ausdruck ist viel zu schön und human. In Jarek war es ein elendes Verenden, und ich erinnere mich, dass mir die Beerdigungen daheim in unserem Dorf, die ich bewusst erlebt hatte, immer wieder in den Sinn kamen. Wie waren die so feierlich und rührend gewesen! Das ganze Dorf hatte immer Anteil genommen. Hier in Jarek kümmerte sich mit zunehmender Dauer kaum noch jemand um die Sterbenden. Die Menschen, Kinder wie Erwachsene, verendeten wie Tiere, oft allein, ohne liebevolle Pflege und Hilfe. Sie starben in Schmerzen und Qualen, in Kummer und Heimweh, ohne Trost und geistlichen Beistand. Damals beneidete ich die Toten, die noch daheim hatten sterben können.

Noch manche Erlebnisse aus der damaligen Zeit könnte ich schildern, und viele Überlebende haben ähnliche Erinnerungen. Angesichts des Leides sind Worte zu schwach, um dem allem Ausdruck zu geben. Und auch nach so vielen Jahren ist das damals Erlebte noch sehr lebendig. Wir wollen deshalb in einem Moment der Stille unserer Toten, die hier liegen, gedenken, in der Hoffnung, dass Gott sie auferwecken wird an seinem Tag.  


2. Die wunderbare Errettung und Dankbarkeit für mancherlei Hilfe


Dass ich diese Zeit überlebt habe, verdanke ich zuerst und vor allem der gnädigen Führung Gottes. Aber auch Menschen, die sich in all dem Grauen Liebe und Menschlichkeit bewahrt haben, haben daran ihren Anteil. In Jarek waren es meine Sichmanns-Urgroßmutter, mein Großvater Nikolaus, die Betreuerinnen im Kinderheim und die vielen guten Menschen in Temerin, die uns bettelnden Kindern und Lagerleuten zu Essen gaben. Unser Gott möge ihnen allen, die uns freundlich begegnet sind, reichlich vergelten, was sie an mir und anderen Gutes getan haben.

Ja, es ist mir auch wichtig, bei allem Schrecklichen, das wir erlebten, jene Lichtpunkte nicht zu vergessen, die zu unserer Rettung beigetragen haben. Es war eine wunderbare Errettung, denn menschlich gesehen hätten wir dieses Grauenvolle wie viele unserer Toten nicht überlebt.


Schlusswort:


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute und Angehörige! Uns ist damals viel Leid zugefügt worden. Es gibt wohl keine Familie, die nicht einen oder mehrere Lieben verloren hat. Ich und viele mit mir haben es als klare Führung Gottes erkannt, dass wir damals durchgekommen sind und gerettet wurden. Dafür bin ich bei allem Schmerz dankbar. Es ist nicht leicht, angesichts von schweren Führungen dankbar zu sein. Aber wenn wir Gottes Spuren in unserem Leben erkennen und wahrnehmen wollen, dann brauchen wir den Blick, der immer wieder das erkennt, wofür wir dankbar sein können.

Inzwischen sind 60 Jahre vergangen. Wir Überlebende haben viel erlebt, auch viel Gutes. Dieser Ort hat sich auch verändert, Gott sei Dank. Möge die Geschichte uns lehren, dass niemals Hass und Gewalt ein guter Weg sind, sondern dass nur Friede und Versöhnung weiterführen.

Gott gab mir die Kraft und er gibt sie auch uns, für die, welche uns viel Leid angetan haben, zu beten und zu vergeben, so wie es Jesus am Kreuz getan hat. Wir dürfen alles dem anheim stellen, der einmal alles recht richten wird. Er gibt uns auch die Kraft, unsere Hand zur Versöhnung auszustrecken, um so tiefe Gräben untereinander zuzuschütten.

Ich möchte schließen mit einem Liedvers von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf:

Liebe hast du es geboten, dass man Liebe üben soll;
o so mache doch die toten, trägen Geister lebensvoll.
Zünde an die Liebesflamme, dass ein jeder sehen kann:
Wir als die von einem Stamme stehen auch für einen Mann.

(aus dem Lied: „Herz und Herz vereint zusammen“)


Gebet auf dem Friedhof in Jarek

Herr, unser Gott, lieber himmlischer Vater!

Wir befinden uns heute hier an dem Ort, wo wir vor 60 Jahren zusammen mit vielen Angehörigen und Landsleuten großes Leid erlitten haben. Viele unserer Lieben sind hier elend umgekommen und anschließend in Massengräbern verscharrt worden.

Wir konnten sie nicht würdig bestatten und wissen nicht, wo die Einzelnen begraben liegen.  

Es bewegt uns heute wieder ganz besonders, welches Elend und Leid damals als Folge des unseligen Zweiten Weltkriegs geschah.  

Wir bitten dich um die Kraft, dass nicht Hass und Gewalt, sondern Versöhnung und Friede die Oberhand gewinnen. Wir bitten dich um Kraft zu vergeben, auch wenn wir nicht vergessen können. Hilf uns, dass wir uns nicht abfinden mit dem Bösen und die Welt denen überlassen, die sie mit Hass und Lüge überziehen. Gib uns die Kraft, für Recht und Barmherzigkeit einzutreten.  

Vor dir gedenken wir unserer hier in diesem Ort Verstorbenen. Wir hoffen auf dich, dass du nach deinem Wort dereinst die Toten aus ihren Gräbern auferwecken wirst, nach der Kraft, mit der du alles dir untertänig machen wirst. Dies bitten wir in der Hoffnung auf das Kommen deines Reiches, durch Jesus Christus, unseren Erlöser.

Im Anschluß betete Pfarrer Siegfried Weber mit uns das Gebet des Herrn:

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.  

Der Herr segne und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht über uns und gebe uns Frieden. Amen.  

Nach dem Lied „Herr, Wir bitten, Komm und segne uns“ war es für die anwesenden Bulkeser und für viele unserer Gäste, ein Bedürfnis, eine rote Rose in den Hügel zwischen den niedergelegten Kränzen und dem schlichten Holzkreuz zu stecken. Diese wunderschönen Rosen (man hatte sogar die Stacheln entfernt!) wurden jedem von den drei serbischen Blumenfrauen in die Hand gegeben.  

Weil es uns nicht möglich war, alle 655 Bulkeser Toten zu verlesen, verteilte ich an die Anwesenden als letzten Akt der Gedenkfeier, eine 24-seitige Broschüre als eine Art Ehrentafel mit Namen, Geburts- und Sterbedatum und Haus Nr., aufgeführt nach dem Sterbetag, wobei jeder einzelne Tote umrahmt ist.  

Nun hieß es, endgültig Abschied nehmen von unseren hier ruhenden Lieben, die so lange auf uns warten mussten. Wir danken unserem Schöpfer, dass er uns diese Gnade erwiesen hat. Wir hoffen sehr, dass hier schon bald eine würdige Gedenkstätte errichtet werden kann und das dieses Gelände in Zukunft ehrwürdiger gestaltet wird.





Das Mittagessen in Jarek

Wie vorgesehen begaben wir uns nun in ein geräumiges Restaurant in Jarek, wo uns ein nie erwartetes Mittagessen serviert wurde, wohlvorbereitet und organisiert von Hans Supritz und Josef Jerger.

Ich komme nicht umhin anzuführen, was dabei für 10 Euro (mit Trinken) an Essen auf den Tisch kam:

Vorspeise: Kalbfleischsuppe
Hauptspeisen:

Lamm im Blätterteig, Cordon bleu, ausgebeinter Hähnchenschlegel, Fleischbällchen, Spannferkel vom Spieß

Zuspeisen: gemischter Salat, serbischer Salat, Krautsalat, Bratkartoffeln, serbische Pommes Frites, Reis mit Soße
Nachspeise: Palatschinken und Mohnstrudel

Bleibt zu erwähnen, dass die Speisen auch gut schmeckten. Wenn man daran denkt, dass vor 60 Jahren hier in Jarek über 7000 Menschen elend verhungerten, birgt dieser Gegensatz eine große Tragik in sich. Aber dafür kann der Wirt nichts, er hat es gut mit uns gemeint, er war ja vor 60 Jahren noch gar nicht geboren.

Während des Mittagessens wurden dann noch einige kurze Tischreden von Hans Supritz und dem Vertreter von Jarek gehalten. Das war auch die Gelegenheit für Franz Jung, die Bulkeser Spenden für die Kindergärten an die Vertreter von Jarek und Temerin zu überreichen.

Nach dem Mittagessen war es dann für den Großteil der Bulkeser ein Bedürfnis an den ehemaligen Bahnhof zu gehen, wo unsere Bulkeser ankamen und die dort in der Nähe liegenden Häuserzeilen zu
besichtigen, wo unsere Angehörigen leiden und sterben mussten.

Die älteren unserer seinerzeitigen 20 überlebenden Kinder übernahmen die Führung, sie hatten noch einige Erinnerungen (u. a. Fritz Glas, Karl Bauer, Karl Weber, Fritz Werle, Elisabeth Heintz, Katharina Zink, Margarethe Schäfer).

Wir wollten aber nicht den Ort Jarek verlassen, ohne einen kurzen Abstecher nach Temerin zum Viertel der Ungarn zu machen, die viele unserer Kinder vor dem Tode gerettet haben, in dem sie ihnen beim Betteln immer wieder etwas essbares zukommen ließen. Möge unser Schöpfer den Nachkommen dieser gütigen Menschen die guten Taten belohnen!

Mit der Rückfahrt nach Neusatz in unser Hotel ging dieser Tag, der so lange von uns herbeigesehnt wurde und uns allen unvergeßlich bleiben wird, zu Ende.

Während des Abendessens erfuhren wir, das unsere Gedenkfeier schon am frühen Abend im Fernsehen der Vojvodina gezeigt wurde! Ich selbst hatte in Jarek eigentlich nur auf unsere Bulkeser geachtet, die fotografierten und filmten.
  

Sonntag, 17. September, 4. Tag
Der Tag in Bulkes, der unvergesslich bleiben wird

Einige unserer Reiseteilnehmer, vor allem die, welche Bulkes nicht kannten, waren schon sehr gespannt auf diesen Augenblick. Wie wird es aussehen im Heimatort ihrer Eltern? Dem Ort von dem die Eltern und Großeltern so viel erzählten, der ein besonderer Ort sein musste.

Die Reise war für alle Teilnehmer bisher so voller Erlebnisse, ihre Erwartungen wurden bis dahin weit übertroffen. Es war alles so gut gelaufen, insofern hatte man auch für diesen Tag ein gutes Gefühl.

Aber vorab, was uns da in unserem Heimatort erwartete und was sich da abspielte, übertraf alle unsere Erwartungen! Franz Jung und Willi Bauderer hatten mit der Ortsverwaltung Maglic ganze Arbeit geleistet und das im Folgenden beschriebene Tagesgeschehen in allen Einzelheiten abgesprochen. Wir erwähnen gerne, dass die Verantwortlichen von Maglic alle unsere Vorstellungen akzeptierten und darüber hinaus noch selbst einige Vorschläge einbrachten!


Anfahrt und Empfang

Die Abfahrt unserer wieder gut besetzten Busse, erfolgte pünktlich 9.15 Uhr, angeführt von Fritz Werle. Die Fahrt verlief über Rumenka zunächst bis Petrovac, dem neuen Heimatort von Fritz Werle. Hier stoppten die Busse, weil wir den von Fritz Werle bestellten wunderschönen Kranz in einem Blumengeschäft abholten. Wir hatten Petrovac kaum verlassen, da sahen wir als erstes unseren Bulkeser Kirchturm von weitem. Minuten später waren wir an der Bulkeser „Csarte“ die noch so aussieht wie vor 60 Jahren. Bevor wir nach Bulkes einbiegen konnten, stoppten die Busse wieder, warum eigentlich?

Kaum standen wir da, kam eine Abordnung des Maglicer Gemeinderates, Ortsvorsteher Radomir Zotovic begrüßte uns im 1. und Rajko Peric im 2 Bus. Mit ihnen kamen auch Kameraleute in die Busse. Die beiden hohen Vertreter hießen die Besucher im Namen des ganzen Ortes herzlich willkommen, drückten ihre Freude über den Besuch aus und wünschten uns einen guten Aufenthalt.

Dolmetscher waren Willi Bauderer und Christine Straubhaar.

Wer zwischenzeitlich ausgestiegen war und ein gutes Gehör hatte, konnte unsere verbliebene Glocke hören, die uns einen altvertrauten Willkommensgruß brachte und uns mitteilte, dass wir daheim sind!


Die ersten Eindrücke

Unter der Führung von Ortsvorsteher Zotovic ging es nun ortseinwärts, an Sanders Mühle vorbei, die noch erhalten ist, dann links zwei „Ecken“ das Neudorf hinunter bis an die Ecke von Kisters und Bleiche, dann rechts ab die Kreuzgasse, die Letzte-, die Hauptgasse und die Zweite Gasse überquerend, an der Hutweide entlang bis in die Erste Gasse, dann etwa 250 Meter links Richtung Bahnhof bis zum neu erbauten Schwimmbad, mitten auf der Hutweide.

Voller Stolz wurde uns dieses archtitektonisch interessante, im ersten Stock angebrachte Becken gezeigt, im Erdgeschoß sind sportliche Räumlichkeiten und Kabinen untergebracht.


Hier fielen das erste Mal seit unserer Reise ein paar Tropfen vom Himmel, sie wiederholten sich während der Gedenkstunde auf dem Friedhof, es sah aus, als wenn uns unsere Toten auf dem Friedhof, die so lange unbeachtet blieben und unsere Bulkeser Heimaterde Wiedersehenstränen vom Himmel anzogen.


Das nächste Ziel war die Schule. Der Eingang ist an der Kreuzgasse zwischen den Hausplätzen der Ersten und der Zweiten Gasse zwischen Sanders und Hoffmanns Haus. Diese Schule wurde vor Jahren erbaut. Die Räumlichkeiten ragen weit in die Hausplätze des ganzen „Eckes“ hinein.

Hier wurden wir in eine sehr geräumige und bestens eingerichete Sporthalle geleitet. Im Flur zur Halle sahen wir eingerahmte Bilder von Maglicer Fußballmannschaften und - zu unserem großen Erstaunen, daneben ebenso eingerahmt - 4 Bilder von Bulkeser Fußballmannschaften an der Wand hängen!!

Nach den Begrüßungsworten durch den Schuldirektor, begrüßten uns auch 8 Mädchen im Alter von etwa 10-12 Jahren mit einem deutschen Lied. Durch unseren Beifall ermuntert oder vielleicht auch eingeplant, gaben sie uns noch weitere Proben ihres Könnens mit deutschen und serbischen Liedern.

Grund genug, unsere vorgesehene Spende für die Schule nicht erst bei der Tischrede am Mittag, sondern dem Schuldirektor gleich hier zu übergeben.





Die Überraschung auf dem Friedhof

Friedrich Werle war noch Montags am Friedhof um zu sehen, ob an dem unüberwindlichen Dickicht auf dem Restfriedhof etwas geändert wurde. Er teilte mir am Abend mit, dass wir unsere Gedenkandacht wohl auf der Straße abhalten müssen.

Als wir nun an den Friedhof kamen, trauten wir unseren Augen kaum – man hatte in zwei oder drei Tagen - etwa eine Fläche von 30 x 30 Meter vollkommen freigeräumt. Diese freie Fläche sah trotz allem trostlos aus, übersät von Unrat, umgestürzten Grabsteinen und Gruftendeckeln.

Aber wir konnten in dieser Stunde, nach über 60 Jahren unseren toten Vorfahren ganz nahe sein, auf unserem Bulkeser Friedhof nach dieser langen Zeit wieder ein Gotteswort hören und geistliche Lieder mit Orgelmusik erklingen lassen, unseren Toten zur Ehre. Dafür gehört all denen, die uns das ermöglichten, ein ganz herzliches Dankeschön!



Die Andacht auf dem Friedhof in Bulkes

Neben den 100 Bulkeser waren auch zahlreiche einheimische Bürger versammelt. Unter den Gästen waren auch Vetreter von regionalen Fernsehanstalten und Zeitungen, die filmten, fotografierten und interviewten.

Wir waren alle sehr erleichtert und bauten unsere Anlage auf dem freigeräumten Gelände auf. Wie nun schon erprobt, erklang wieder als erstes das Orgelvorspiel.

Zunächst begrüßte unser Heimatausschußvorsitzender Franz Jung die anwesenden Gäste und die Bulkeser Landsleute. Er bedankte sich bei Ortsvorsteher Radomir Zotovic, dass der seit längerem bestehende Wunsch einiger Bulkeser, ihre Heimat noch einmal zu sehen, durch die freundliche Zustimmung der Gemeindevertretung in Erfüllung gehen konnte und auch dafür, dass dieser Besuch einer Gruppe von fast 100 Personen in offizieller Form geschehen konnte.

Er stellte ganz besonders in den Raum, dass wir Bulkeser die von der Bundesregierung gewünschte Brückenbauer-Funktion zur Völkerverständigung gerne erfüllen wollen, wenn es beiderseits gewollt wird und im Geiste der Wahrheitsfindung bei der Aufarbeitung der Geschichte geschieht.

Abschließend sprach er noch einmal seinen Dank auch namentlich, an die Mitglieder der Gemeindeverwaltung aus, für das leuchtende Beispiel von Seiten der Maglicer.


Über die Ansprache von Ortsvorsteher Radomir Zotovic schreibt Willi Bauderer:
Herr Predsednik Zotovic hielt eine warmherzige Begrüßungsrede, in der er alle Bulkeser und alle anderen
Besucher nochmals willkommen hieß. Er brachte seine Freude und die aller heutigen Bürger des Ortes über den Besuch zum Ausdruck und sprach von einem historischen Tag für Maglic, an dem es möglich wurde, dass sich Altbürger und Neubürger des Ortes begegnen und austauschen können. Er sah es als ehrenvoll an, dass frühere Bürger des Ortes zurückkehren, um ihre Häuser zu sehen, die sie verlassen mussten und ihren Verstorbenen, die zurückbleiben mussten, nochmals Ehre zu erweisen. Er wies darauf hin, dass er, der Ortschaftsrat und die Bürger, bemüht sind, die Bulkeser bei ihrem Besuch zu unterstützen und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich alle wie zu Hause fühlen mögen. Er sprach dabei emotional von „unserem Bulkes und unserem Maglic“ und war bemüht, ein Zusammengehörigkeitsgefühl aller Anwesnden anzusprechen.

Die Übersetzung ins Deutsche übernahm Wilhelm Bauderer und wiederholte Satz auf Satz die Ausführungen in deutscher Sprache.


Vor der Kranzniederlegung, zitierte ich das für uns so zutreffende Gedicht „Unverlierbare Heimat“ von unserem donauschwäbischen Dichter Jakob Wolf aus Sekitsch.

Unter den Klängen „Ich hatt einen Kameraden“ legten Christine Straubhaar und Friedrich Werle den Kranz zu Ehren unserer hier ruhenden Vorfahren mit der Aufschrift
„Im Gedenken an unsere hier ruhenden Bulkeser Angehörigen“ nieder.

Ansprache und Gebet von Prediger Karl Weber:

Anbei eine kurze Zusammenfassung aus der Ansprache:

Vorab verlas er aus dem Hebräerbrief 13, Vers 14:
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“.

In seinen Ausführungen beschrieb er zunächst kurz seine schönen Kindheitserinnerungen in einer noch heilen Welt. Um so ausführlicher wies er auf seine Erinnerungen über das leidvolle Geschehen der Austreibung aus unseren Häusern und den bitteren Weg in die Todeslager hin.

Er bat um Verständnis dafür, dass er seine Erinnerungen nach 61 Jahren wieder vor Augen habe, wobei es ihm bewusst wurde, wie tief und unauslöschlich sie im Gedächtnis gespeichert sind. Trotzdem verblasse Bulkes, das heutige Maglic, immer mehr im Bewusstsein, und so wie wir es heute erleben, ist es uns fremd geworden und keine Heimat mehr.

Er sei, wie viele gekommen, um Abschied zu nehmen von unserer gewesenen Heimat und von unseren Toten auf dem Friedhof. Wir tun es in wehmütiger Erinnerung. Aber wir wollen ohne Groll und Bitterkeit im Frieden Gottes von diesem Ort scheiden.

Er betete mit uns: Herr unser Gott, lieber himmlischer Vater!
Tief bewegt stehen wir hier in unserem ehemaligen Heimatdorf und vor den Gräbern unserer Lieben. Viele gute und schöne, aber auch dunkle und schwere Erinnerungen stehen uns vor Augen und wollen uns das Herz beschweren. Wir denken an die vielen Opfer und das Leid, dass der Zweite Weltkrieg auch über uns gebracht hat. Wir denken auch an die viele Not und an das Elend in unseren Tagen in aller Welt.
Wir bitten Dich um Frieden, denn wir selbst sind ausgeliefert unserer Angst und unserem Mißtrauen. Täglich müssen wir dich bitten, dass uns nicht Liebe, Vertrauen und Mitgefühl abhanden kommen. Erfülle uns mit dem Geist des Friedens, besonders die Verantwortlichen aller Staaten und Mächte, damit nicht Spannungen zu Gewalt führen und Konflikte mit Waffen ausgetragen werden.
Eine laute Welt lässt uns so leicht die Stille der Toten vergessen, die stumme Klage um verlorens Leben, ihr Opfer auf den Altären falscher angemalter Götter.
All unsere Toten laß aufgehoben sein in deinem Frieden. Uns aber, die Lebenden, bewahre vor leichtfertigem Vergessen und vor der Unbelehrbarkeit, die die Menschheit immer wieder in die gleichen Fehler verfallen lässt.
Erleuchte uns durch deinen Geist und durch die Kraft des Evangeliums des Friedens. Amen.

Pfarrer Siegfried Weber betete mit uns das Gebet des Herrn „Vater unser...“ und erteilte uns den Segen des Herrn:
Der Herr segne und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht über uns und gebe uns Frieden. Amen.

Zum Abschluß dieser Feierstunde und zum Abschied von unseren toten Angehörigen sangen wir nun das Lied „So nimm den meine Hände“.





Der Gottesdienst in unserer Kirche, zum ersten Mal nach über 61 Jahren...!

Wir verließen nun wehmütig, aber innerlich sehr erleichtert, den Friedhof und hofften wie gewünscht, einen Schritt in unsere Kirche machen zu dürfen. Auch dieses Anliegen wurde uns erfüllt. Es war uns ja bekannt, dass die orthodoxe Kirchengemeinde von Maglic in Vorraum der Kirche Gottesdienste abhält. So wurde es auch uns gestattet, im Vorraum unserer Kirche, die mit einer unglaublichen Gemeinschaftsleistung unter großen Opfern von unseren Ahnen erstellt und 1820 eingeweiht wurde.

Es erfüllte alle anwesenden Bulkeser mit großer Dankbarkeit, dass nach über 60 Jahren wieder ein evangelischer Gottesdienst - und das mit zwei Bulkeser Geistlichen - in unserem Gotteshaus ermöglicht wurde. Prediger Karl Weber aus Karlsruhe, der in dieser Kirche getauft wurde, gestaltete mit seinem Sohn Siegfried Weber diesen unvergesslichen historischen Gottesdienst.

Er betete mit uns Worte Gottes, umrahmt mit den Psalmen 26, Vers 8: „Herr ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort da deine Ehre wohnet“ und Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln ...... und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“.
Wir sangen das Lied –„ Nun danket alle Gott“ . Auch hier betete Pfarrer Siegfried Weber mit uns das Gebet des Herrn – „Vater unser...“ und erteilte uns den Segen des Herrn.






Der kaum zu beschreibende Innenraum der Kirche

Noch in Gedanken beim Gottesdienst, konnten wir durch eine sehr dürftige Holzbrettertür den Innenraum betreten. Was wir da zu sehen bekamen, verschlug uns die Sprache und brachte unsere Gedanken in die Realität zurück. Wir wußten ja über das trostlose Aussehen dieses ehemaligen Gotteshauses, in dem viele der Reiseteilnehmer getauft wurden, ein seinerzeitiges Prunkstück kirchlicher Baukunst und ein Stolz aller unserer Bulkeser Generationen.

Über das jetztige Aussehen hatte ich ja Bilder gesehen, aber wenn man es mit eigenen Augen sieht, kann man nur den Kopf schütteln, dass einige wenige Bulkeser Landsleute glaubten und vielleicht noch glauben, trotz der immensen Kosten, dieses seit über 60 Jahren entweihte Gotteshaus noch einmal seinem Zwecke wieder zugänglich machen zu können. Aber darüber mehr an anderer Stelle zu anderer Zeit.




Das gute Mittagessen

Gleich neben der Kirche, im offensichtlich einzigen Restaurant von Maglic, war das Mittagessen vereinbart. Das Gebäude war unser ehemaliges prächtige Pfarrhaus. Man hat aus den vier zur Straße gelegenen Räumen und aus dem Gangraum ein geräumiges und ganz komfortables Gasthaus eingerichtet.

Ich war zunächst erstaunt, das da alle 110 Personen (die Anzahl stellte sich später heraus) noch nicht einmal den ganzen Raum ausfüllten. Die Mittagstafel glich der eines Festessens wie in Jarek, darüber hinaus hatte man uns auch unser donauschwäbisches Nationalgericht an Sonntagen „Supp-Fleisch und Soß, mit Kuchen“ aufgeboten, aber mit mehreren Sorten Fleisch und weiteren Zuspeisen sowie Vor- und Nachspeisen. Und das wie der Preis in Jarek für 10 Euro pro Person für Essen und Trinken.

Im Übrigen schmeckte das Essen sehr gut und kam schnell auf den Tisch, bei freundlichem Bedienungspersonal. Bei einer kurzen Tischrede nutzte Franz Jung die Gelegenheit, die vorgesehene Spende für den Kindergarten zu übergeben.


Der gastfreundliche Empfang in unseren ehemaligen Elternhäusern

Wir waren noch fest beim Essen, als die ersten heutigen Hausbesitzer von unseren ehemaligen Elternhäusern eintrafen um uns abzuholen und in die Häuser mitzunehmen.
Das ganze erinnerte mich wie an das seinerzeitige Eintreffen unsere ersten KLV-Kinder aus Hagen in Bulkes, wie sie von ihren Gasteltern abgeholt wurden.
In diesem Falle gingen wir nach den Haus Nr. vor, wobei Frau Marjanovic die heutigen Besitzer herbeirief und ich unsere betreffenden Reiseteilnehmer. Es ging natürlich nicht alles glatt, es hatte bei der Übermittlung, wer von uns dabei ist, einige wenige Missverständnisse gegeben.
Doch die Sache lief unter den gegebenen Umständen recht gut. Das größte Problem war die Sprache. Ich hatte schon vorher Listen verteilt, wer von uns bei welchen Peronen von uns dolmetschen wird. Mit
wenigen Ausnahmen bekamen wir auch das gut über die Bühne.

Im Übrigen hatte man für die Hausbesuche zweieinhalb Stunden angesetzt, die auch nötig waren.
Aus den Berichten der Einzelnen läßt sich zusammnefassend sagen:

-  Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurden wir in unseren Häusern äußerst freundlich empfangen und sehr gut bewirtet. In einem Fall hatte man sogar ein Spannferkel geschlachtet.
-  Wir bekamen weitgehend mehr mit, als wir den Gastgebern mitgebracht hatten.
-  Einige boten ihren Gästen an, länger hier zu bleiben und natürlich „zu Hause“ zu schlafen.
-  In der Regel bat man uns, in alle Zimmer zu sehen.

Hinzu kam einerseits die große Freude, noch einmal im Elternhaus zu sein, andererseits lernte man das das Haus der Eltern, Großeltern oder Schwiegereltern kennen und konnte nachvollziehen warum und wovon die Familienangehörigen begeistert sprachen als sie noch lebten.
Als wir uns dann um 18.00 Uhr wieder trafen, hatte man sich sehr viel zu erzählen. Mehrere unserer Gastgeber begleiteten uns bis zu den Bussen.

Dieser Sonntag in Bulkes war mit Sicherheit der erlebnisreichste Tag und neben Jarek ein weiterer Höhepunkt auf unserer Reise. Dafür nochmals Dank an alle, die uns diesen Tag zu einem unvergeßlichen Erlebnis werden ließen.

An diesem Sonntag gab es einen langen Abend, weil er der letzte gemeinsame für die im Hotel Sajam wohnenden Reiseteilnehmer war. An allen Tischen wurde viel erzählt, vor allem über die angenehmen Erlebnisse in Bulkes. Dabei erfuhren wir auch, dass unser Besuch in Bulkes bereits am frühen Abend im Fernsehen gezeigt wurde, mit dem Kommentar, dass halb Maglic auf den Beinen war, um die Bulkeser zu empfangen. Ich selbst war sehr erleichtert, weil in Bulkes alles so gut gelaufen war und ich rundweg in sehr zufriedene Gesichter blicken durfte.


Montag, 18. September, 5. Tag

Dieser Tag war zur freien Verügung vorgesehen. Dabei ist über drei Unternehmungen zu berichten:

1. Der Besuch der Festung Peterwardein mit anschließendem Stadtbummel in Neusatz
.

Darüber aus dem Bericht von Jutta Bauderer-Häfele:

Die meisten Teilnehmer entschieden sich für diese Fahrt mit anschließendem Stadtbummel, der Bus war vollbesetzt. Von der Festung aus bot sich ein herrlicher Blick über die ganze Stadt Novi Sad. Zwischen der Festung und der Stadt fließt bekannlich der gewaltige Strom der Donau. Über den Fluß führen drei neue Brücken. Da an dem Montag keine Führungen stattfanden, informierte Willi Bauderer kurzerhand über die Geschichte der Festung und über ihre Bedeutung in türkischer und habsburgischer Zeit. Nach einem Spaziergang durch die weitläufige Festungsanlage fuhr der Buss den Größten Teil der Gruppe in die Stadt, wo sie nahe beim Stadtzentrum ausstiegen.

Die Stadt hat ein lebhaftes Flair und könnte überall in Europa liegen. Im Zentrum befinden sich mehrere Fußgängerzonen mit viele Restaurants und Straßenkaffees, insbesondere aber mit ansehnlichen Geschäften für jeden Geschmack und Bedarf. Die Straßen waren voller Menschen.

Nach einem Rundgang ging es dann in die einladenden Straßenkaffees, wo es leckeren Kuchen gab, von den Sorten, die hier bereits in der KuK-Zeit angeboten wurden. Ins Hotel gingen wir wieder durch Straßen voller Menschen. Besonders eng ging es auf dem Markt zu, den wir natürlich auch sehen wollten. Nach kleinen Einkäufen, waren wir dann rechtzeitig zum Abendessen zurück.



2. Die Reise nach Mitrowic an die Massengräber


Bekanntlich war das Lager Svilara in Mitrowic das berüchtigste Lager für Arbeitsfähige und Arbeitsunfähige Donauschwaben in ganz Jugoslawien. Es bestand 21 Monate von Anfang August 1945 bis zum 5. Mai 1947. In dieser Zeit sind dort mindestens 2000 donauschwäbische Zivilpersonen unter kaum zu beschreibenden Umständen an Hunger, Kälte, Typhus und Ruhr umgekommen. Unter ihnen auch 16 Bulkeser Männer im arbeitsfähigen Alter.

Grund genug für die 11 Reiseteilnehmer, die Familienangehörige dabei hatten, die Reise nach Mitrowic mitzumachen, um ihren Lieben und - auch im Namen der Heimatortsgemeinschaft Bulkes - allen 16 Bulkeser Toten die letzte Ehre zu erweisen. Prediger Karl Weber und Pfarrer Siegfried Weber waren auch unter ihnen, weil ihr Vater in Mitrowic unter den Toten ist.

Ich hatte im Vorfeld der Reise durch Vermittlung von Hans Supritz und Josef Jerger bei Joschi Wahl den Transfer gebucht und ebenso Herrn Stevic - einen Kenner der Massengräber in Mitrovic - mit der Führung beauftragt. Die beiden Engagierten sind Freunde unserer beiden Landsmannschaftsvertreter und Freunde der Donauschwaben.

Die Toten in Mitrowitz liegen in Massengräbern an drei verschiedenen Stellen, in der Svilara, dem jüdischen friedhof und dem katholischen Friedhof. Deshalb wurden an den drei Stellen jeweils ein Gesteck niedergelegt. Joschi Wahl hatte die drei Gestecke in Palanka besorgt und mitgebracht, Prediger Karl Weber die Schleifen dazu. Es wurde an allen drei Stellen gebetet und den Toten gedacht. Die Andacht wurde auf den katholischen Friedhof gehalten:

Karl Weber verließ zunächst Hiob 1, 1.7.11.15.3:
„Mein Geist ist zerbrochen, meine Tage sind ausgelöscht; das Grab ist da. Mein Auge ist dunkel geworden ...“.


Einige seiner Worte des Gedenkens:

„Wir befinden uns heute an einem Ort, der für 16 Männer aus Bulkes zur letzten Station ihres Lebens wurde, darunter auch für meinen Vater“.
„ ... in welchen der drei Massengräber, die wir heute besuchen, die Einzelnen verscharrt wurden, wissen wir nicht. Was haben unsere Männer, Väter und Verwandte wohl alles erlitten und durchgemacht, bis sie die Augen für immer schlossen? Gott weiß es.“


Im Gedenken an die Umgekommenen verlas Karl Weber die Namen der 16 Bulkeser Männer.
Dann betete er mit den Anwesenden Psalm 90, 1-8.13; „Herr du bist unsere Zuflucht für und für...“.

Er betete weiter: Allmächtiger Gott. Auf dem Weg in den Tod hast du uns Hoffnung gegeben. Hilf uns einander zu trösten, wenn die Angst nach uns greift. Dein Wort geleite uns durch alle Gefahren und Schrecken des Lebens, bis du aller Not ein Ende machst und uns schauen lässt, was wir glauben. Durch Jesus, deinen Sohn, den du auferweckt hast von den Toten und der bei dir lebt in Ewigkeit. Amen.

Zum Abschluss der Gedenkandacht betete Pfarrer Siegfried Weber mit den Anwesenden das Gebet des Herrn: „Vater unser...“ und erteilte ihnen den Segen des Herrn.

Auf dem Weg nach Mitrowitz besuchten unsere 11 Reisenden das an der Strecke liegende Vrdnik. Hier waren mein Vater Nikolaus Weber und Philipp Weber umgekommen. Sie gedachten ihnen im Gebet und legten Blumen nieder. Einige der Bulkeser Toten von Mitrowic waren vorher im Lager Vrdnik. Sie waren durch Schwerstarbeit so geschwächt, dass sie, als sie nach Mitrowic verlegt wurden, dort kaum eine Chance zu überleben hatten. Mir ist nicht bekannt, dass auch nur ein Bulkeser Zivilinternierter Mitrowic überlebt hat.



3. Die Fahrt nach Maglic zum Filmen und Fotografieren von Häusern  


Wir hatten vorgesehen, bereits am Sonntag mit den Bussen durch den Ort zu fahren um zu filmen und zu fotografieren. Doch das war bei diesem Empfang nicht möglich. Ich fragte am Sonntag vor der Abfahrt noch Frau Marjanovic, ob wir das am Montag nachholen können, was sie sofort bejahte. Sie gab uns dann am Montag Früh noch eine schriftliche Genehmigung, falls wir von jemand angesprochen werden sollten.

Am Montag machten wir fünf, Claudia Wahl, Elisabeth und Jakob Heintz, Otto Harfmann und ich uns mit dem zweiten Bus (wir hatten sonst kein Fahrzeug) auf den Weg. Wir begannen in der ersten Gasse mit Mahlers Haus (am Friedhof) unser Vorhaben zu Fuß, fast immer von der Straßenmitte aus, die ganze erste Gasse hindurch. Es ging aber nur sehr schleppend voran, weil wir immer wieder von Traktoren und Lastwagen beim Besprechen der Aufnahmen gestört wurden. Dazu kam, dass man uns ja schon von weitem beobachten konnte und viele Hausbesitzer uns durchwegs sehr freundlich ansprachen und mit uns erzählen wollten. Diesen Part übernahmen dann Elisabeth Heintz und Otto Harfmann, damit wir bei der Arbeit bleiben konnten.

Als wir durch die Erste und Zweite Gasse durch waren, wurde uns klar, dass wir von der Zeit her an einem Tage nicht durchkamen, zumal auch die Akkus im Restaurant aufgeladen werden mussten.

Wir ließen nun einzelne Häuser aus, wo die Besitzer schon ausgestorben sind, aber auch dass nützte nicht viel. Letztlich konnten wir nur etwa 70 Prozent der noch stehenden Häuser fotografiern und filmen.

Vor allem in der Letzten Gasse, in den Kreuzgassen und in den Neudörfer sind große Lücken. Um alles aufzunehmen, hätten wir noch einen ganzen Tag gebraucht, das ging aber nicht, weil unsere Busse am Dienstag wieder heimwärts mussten.


Montag Abend, der letzte Abend im Hotel Sajam für die Busreisenden

Zu diesem Zeitpunkt waren unsere Flugzeug- und PKW-Reisenden (bis auf die Familien Bauderer und Jung) bereits auf der Heimreise oder gar schon daheim. Einige hatten den Tag zum Besuch bei Bekannten oder Verwandten, die schon auf sie warteten genutzt.
Es sei noch erwähnt, dass auch die 11 Mitrowitz-Fahrer auf der Festung mit dabei waren und ihre Reise um 13.00 Uhr antraten. Sie kamen erste spät am Abend zurück, aber sehr erleichtert, dass ihre Mission so gut verlaufen war. Kurz vorher waren wir fünf aus Bulkes zurückgekehrt, sehr müde und nicht ganz zufrieden, weil wir nicht alle Häuser aufnehmen konnten.

Auch an diesem Abend hatte man sich viel zu erzählen, die Stimmung war bestens, wir besprachen das Programm für die Fahrt am Dienstag bis an den Neusiedlersee und legten die Abfahrt auf 8.00 Uhr fest.
Wir kamen zum großen Teil wieder nicht früh ins Bett, aber ich konnte, sehr erleichtert, zum erstenmal im Hotel im Sajam mehr als drei Stunden schlafen.


Dienstag, 19. September, der 6. Tag, der 1. Heimreisetag:

Nach dem Frühstück waren wieder alle rechtzeitig an und in den Bussen und unsere Busführer hatten das Reisegepäck schnellstens im Kofferraum verstaut. Nachdem die Rezeption Wilhelm Bauderer grünes Licht gab, dass alle Telefonrechnungen bezahlt sind (die Hotelkosten hatten wir gemeinsam bezahlt) machten wir uns auf die Reise, verabschiedet von unserem guten Geist über die vier Tage, Fritz Werle, der uns wehmütig winkend, hinterher sah. Er bestätigte mir Tage danach, dass seine Gedanken immer noch bei diesen für ihn so unbeschreiblichen erlebnisreichen Tagen mit uns sind.

Im Reiseprogramm war ein Abstecher nach Budapest fest vorgesehen. Auf Grund der Erfahrungen bei den Grenzabfertigungen hätten wir um 7.00 Uhr abfahren müssen, um einigermaßen sicherzustellen, dass uns die Zeit dafür reicht. Wir fuhren die Autobahn über Subotica bis zur Grenze, wurden von den serbischen Behörden ohne Verzögerung abgefertigt, aber die Ungarn machten uns die Schranke nicht auf. Als wir genauer hinsahen, räumten sie einen vor uns stehenden Bus mit Serben samt allem Gepäck aus und untersuchten den leeren Bus allen allen Ecken und Enden.

Als sie dann endlich Zeit für uns hatten war fast eine Stunde vergangen. Trotzdem gaben wir Budapest noch nicht auf, mussten uns aber vor Budapest leider zum durchfahren auf der Autobahn entscheiden um rechtzeitig zu unserer Schiffsfahrt am Neusiedlersee einzutreffen.

Wie schon auf der Hinfahrt informierte uns dabei unser Parabutscher Bulkeser, Josef Marx im Bus 1 über das Land und die Einwohner vor allem aber über die Leistungen der Donauschwaben in Ungarn.

Weil wir ja nun gut in der zeit waren, konnten wir die Schiffsfahrt schon um 18.00 Uhr beginnen. An diesem Abend erfuhren wir auch von den Unruhen in Budapest. Wie sich herausstellte, hätten wir deswegen weder die Andrasi ut, die Prachtstraße in Budapest, fahren können, noch wären wir über die Elisabethen-Brücke zur Burg gekommen. Ein kleiner Trost für Willi und Jutta Bauderer, die wegen Budapest bei uns im Bus mitfuhren. Auch hier hat uns unser Schöpfer richtig geleitet.


Die Schiffsfahrt mit Grillfest auf dem Neusiedlersee

Am Neusiedlersee bezogen wir unsere Zimmer in Rust und Mörbisch und waren um 18.00 Uhr pünktlich am Schiff. Auch hier wurden unsere Erwartungen nicht enttäuscht. Nach vier Tagen voller Erlebnisse, mit besinnlich-historischen Stunden, konnten wir nun ausspannen und die Reise fröhlich ausklingen lassen. Dabei animierte uns der Bord-Harmonikaspieler mit vielen volkstümlichen Weisen. Hier durften wir überrachend auch Katharina Wahl, die Mutter von Claudia Wahl begrüßen, die von Wien herausgebracht wurde. Wir sangen fröhliche Lieder und vor allem die Jüngeren konnten das Tanzbein schwingen. Für die heitere Stimmung sorgte auch, das der Rot-und Weißwein in Flaschen auf den Tischen mit im Preis enthalten war. Das er auch gut vertragen wurde, sorgte das Grillfleisch. Wie im Flug vergingen drei Stunden, die Nacht war schon lange hereingebrochen, als wir gut gelaunt mit den Bussen im Hotel in Mörbisch einen geeigneten Raum für gemeinsame Abschiedsworte fanden.

Hier trafen wir dann auch Franz und Anni Jung die mit dem PKW später in Mörbisch eingetroffen waren. Nach den Abschiedsworten der Reiseverantwortlichen beteten und dankten Karl und Siegfried Weber für alles, was wir auf dieser Reise erlebt haben. So endete auch dieser Tag zur großen Zufriedenheit aller.


Mittwoch. 20. September, 7. und letzter Tag der Busreisenden

Nach einem sehr reichhaltigen Frühstück am Buffet, hieß es Abschied nehmen. Wir vom Hotel in Mörbisch fuhren zum Hotel nach Rust. Hier verabschiedeten sich zuerst alle, die am Neusiedlersee zugestiegen waren. Wir fuhren noch bis zur Raststätte Ansfelden mit den Bussen gemeinsam. Dann auch hier das große Abschiednehmen. Bus 1 fuhr in Richtung Salzburg die südliche Route, Bus 2 in Richtung Passau die nördliche Route. Die Busse wurden von Haltestelle zu Haltestelle immer leerer und wir kamen ohne Stauungen an unseren beiden Endzielen früher als vorgesehen an. Im Nachhinein waren wir sehr dankbar, dass alle gut zu Hause angekommen waren und danken Gott, dass er uns behütet und geleitet hat auf einer Reise, die für alle unvergesslich bleiben wird.


Dank an alle Reiseteilnehmer 

Dass diese Reise zu dem geworden ist, wie in den vorgenannten Zeilen angeführt, ist ein Verdienst aller, die dabei gewesen sind. Sie haben alle in irgendeiner Weise aktiv dazu beigetragen. Es war nicht selbstverständlich, dass alle überall pünktlich waren, dass kein unrechtes Wort gefallen ist, dass wir gemeinsam für gute Stimmung beigetragen haben, dass alle jederzeit mit allem zufrieden waren.

Dazu kam, dass unser Schöpfer uns beschützte, es wurde niemand krank, wir hatten ideales Wetter, wir kamen mit den Bussen nie in Unfallgefahr, wir hatten keine Stauungen auf den Strecken und sind letztlich alle wieder gesund und zufrieden zu Hause angekommen.

Auch nochmals herzlichen Dank von Kathrin und mir, dass ihr uns was gutes tun wolltet und getan habt!
Wir werden Euer Geschenk zu unserem Wohlergehen verwenden.


Eine gebundene Reisebroschüre mit vielen Bildern ist in Arbeit

Liebe Reiseteilnehmer, wir hatten es ja schon irgendwie angekündigt, dass dieser Reisebericht nur zur vorläufigen Information dient. Wie ersichtlich, habe ich nur in einem Falle, nämlich von Jarek, die Ansprache und die Gebete von unseren Geistlichen Karl und Siegfried Weber komplett ohne Kürzung übernommen.

Über alles andere habe ich nur in kurzen Zusammenfassungen berichtet. Es liegen noch viele Ansprachen, weitere Berichte und viele weitere Unterlagen im Zusammenhang mit der Reise und die ersten Stellungenahmen zur Reise von den Teilnehmern vor.

Natürlich wollen wir auch sehr viele Bilder veröffentlichen und letztlich wohl auch die Ehrentafel aller 710 Bulkeser Toten, die in den Massengräbern die wir besuchten, ihre letzte Ruhestätte fanden.

Ich denke, es wird eine Broschüre von weit über 100 Seiten werden, die wir allen Bulkesern dann so wie die Heimat-Zeitung zusenden werden.


Fotos und Film  für alle Interessenten

Bekannlich wurden viele Fotos von Jakob Heintz und darüber hinaus von einigen andern Reiseteilnehmer gemacht und von Claudia Wahl ein Film gedreht.

Selbstverständlich wollen wir diese allen Bulkesern über die verschiedenen medientechnischen Möglichkeiten zugänglich machen. Wie das im Einzelnen aussehen wird, werden wir ihnen noch mitteilen. Jedenfalls möchten wir alle Fotos beschriften und den Film besprechen, so weit noch nötig.