Landwirtschaft
und Handwerk in Bulkes Es ist uns ein
Anliegen, in den folgenden Zeilen am Beispiel unseres eigenen
Heimatortes Bulkes aufzuzeigen, wie vielfältig, praktikabel und
naturgemäß anhand des damaligen Entwicklungsstandes gewirtschaftet
wurde. Unsere heutigen Umweltschützer hätten an den umweltschonenden
und beispielhaft realen Wirtschaftskreisläufen ihre helle Freude
gehabt. Hierbei ist zu beachten, dass es nicht nur um die Be- und
Verarbeitung bei Erzeugnissen und Waren ging, sondern dass darin alle
Menschen vom Kind bis zum Greis, je nach ihren Möglichkeiten, vom
Familienverbund bis zum dörflichen Gemeinwesen mit einbezogen waren.
Ein jeder hatte seine gebührende Aufgabe, ein jeder war gezählt, ein
jeder war Mitglied einer großen Gemeinschaft. Vielleicht ist das ein
nicht unerheblicher Grund, warum wir, obwohl wir zum Teil noch Kinder
und Jugendliche waren, noch so mit der ehemaligen Dorfgemeinschaft
verbunden sind und unsere Heimattreffen immer noch einen erstaunlich
hohen Zuspruch finden.
Wir denken, es ist auch für unsere
Nachkommen nicht uninteressant, am Rande über heute ausgestorbene
berufs- und tätigkeitsbezogene Sitten und Bräuche zu erfahren. Nicht
zuletzt deshalb, weil sie auch heutzutage noch vielerorts von Nöten wären.
Natürlich können an dieser Stelle nur einige wenige dieser Berufe
und Abläufe aus Platzgründen mit einigen Zeilen beschrieben werden.
Sie sollen stellvertretend für alle anderen andeuten, was in einer für
heutige Verhältnisse überholten und völlig unterschätzten Zeit an
hohem Lebensstandard, insbesondere auf dem Ernährungssektor, möglich
war. Fleisch von frei laufenden Tieren: Nicht
nur Hühner, Gänse und Enten, sondern auch Schweine und Kühe waren
von Frühjahr bis zum Herbst täglich und oft ganztägig auf der Weide
oder am Wasser. Dabei handelte es sich jeweils, den günstigen
Klimabedingungen angepasst, um eine hochwertige Viehwirtschaft mit über
die Grenzen hinaus anerkannten Züchtungen. Zum nahrungsmäßigen
Ausgleich und bei Stallfütterung im Winter diente zur
Fütterung: frischer Klee, junges Maislaub, Rüben und Kürbisse
als Frischfutter, sowie Mais und Getreide auch als Schrot und Kleie;
Klee, Luzerne und Mohar als Heu, sowie getrocknetes Maislaub und
Haferstroh als natürliches und nahrhaftes Trockenfutter. Die Familien
schlachteten im Herbst so viele Schweine wie nötig, um den
Jahresbedarf an Wurst, Schinken und Fett zu decken. Rind- und
Kalbfleisch gab es in der Regel an Wochenenden vom Metzger, Geflügelfleisch
im eigenen Haus, je nach Bedarf. Alle denkbaren
Beeren- und Obstsorten mit Nüssen kamen aus eigenem Anbau. Sie wurden
eingeweckt, gedörrt und zu Saft, Marmelade und auch Schnaps für den
ganzjährigen Verbrauch verarbeitet. Trauben zur Wein- und Hopfen bzw.
Gerste zur Biererzeugung gehörten dazu.
Neben allen in
Mitteleuropa verbreiteten Gemüsesorten wurden auch wärmeliebende
Arten wie Paprika, Kürbisse und Melonen in den verschiedensten Sorten
angebaut. Zur Mehl- und
Zuckererzeugung waren Weizen und Zuckerrüben im Überschuß
vorhanden, ebenso Kartoffeln. Letztlich wurden auch alle Milchprodukte
in jedem Haus selbst erzeugt. Zur natürlichen
Lagerung der vielen aufzubewahrenden Lebensmittel gab es in den
Kellern mit Lehmboden beste Voraussetzungen. Mit Ausnahme der
Sonnenblumen sind alle anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse ursprünglich
aus dem Eigenbedarf hervorgegangen und waren aus dem internen
Wirtschaftskreislauf nicht wegzudenken. Das hochwertigste
Erzeugnis war der Hanf, das weiße Gold der Region. Für den
Export wurde er vor Ort einer ersten Verarbeitung durch das Entfernen
der Stengel unterzogen. Für den Eigenbedarf wurde er in allen Phasen
selbst verarbeitet, bis zur Arbeitskleidung und Bettwäsche. Viele Abfälle aus
Erzeugnissen wurde zu weiteren Verbraucherprodukten verwendet oder
verarbeitet. Hier einige Beispiele:
Fassbinder, Korbmacher, Wagner,
Schlosser, Schmied, Spengler, Hächler, Opankenmacher, Sattler,
Seiler, sowie die unter Landwirtschaft angeführten Tätigkeiten. Obwohl zu einer Hausfrau
keine offizielle Lehre gehörte, war es ein sehr schwerer und äußerst
verantwortungsvoller Beruf. Die Tüchtigkeit der Hausfrau war einer
der Hauptfaktoren für den Lebensstandard der Familie. Sie beherrschte
eine Vielzahl von Tätigkeiten, die angelernt werden mussten. Die hohe
Kunst des Kochens und Backens mit
unzähligen Rezepten war von Generation zu Generation
verfeinert worden. Hinzu kam der ortsweite und auch ortsübergreifende
rege Erfahrungsaustausch der Frauen untereinander. Die weitere
Palette: einwecken, Marmelade und Säfte einkochen, Brot mit
Flammkuchen im hauseigenen Backofen backen, Seife kochen, Geflügel
schlachten, Wolle und Hanf spinnen, das sehr schwere Wäschewaschen,
in der Regel von Hand, Reinigen von Hof, Räumen und Kleidern, bügeln,
nähen mit zuschneiden, stricken, häkeln, sticken, flicken, Kühe
melken, Milch zu Butter und Käse verarbeiten, Garten-, Stall- und
Feldarbeiten verrichten, Häuser weißeln, Kinder erziehen mit
Schularbeiten überwachen, usw. Das Wagnerhandwerk
war seit der Ansiedlung ein nicht wegzudenkender Beruf. Die in
unserem Heimatort in drei verschiedenen Längen gebauten Holzwagen
waren vermutlich die leichtesten auf der ganzen Welt. Sie bestanden
aus rund 25 Einzelteilen und aus 4-5 einheimischen Holzarten wie Ulme,
Eiche, Akazie, Esche und Weißbuche. Weitere
nennenswerte Erzeugnisse des Wagners waren der vorwiegend aus
Akazienholz bestehende
Schubkarren und die aus Nuss- oder Maulbeerholz bestehenden
Hanfbrechen. Das Schmiedehandwerk
beinhaltete die Pflege und das Beschlagen der
Pferdehufe von rund 500 in unserer Ortschaft vorhandenen Pferden, der
Fertigung von Eisenteilen wie Eisenreifen und Beschläge für
Bauernwagen, Schubkarren, Holzwalzen, Holzschuhen und Windmühlen. Die Herstellung von
Pflügen, Eggen, Schleifen, Rübenschneidern, Hanfmessern,
Eisenkreuzen, Riegel, Scharnieren, Werkzeugen und vieles andere mehr. Reparaturen der
genannten Gegenstände, Schärfen der Pflugscharen an den späten
Abenden und frühmorgens, sowie der Werkzeuge für die Bauhandwerker
am Wochenende. Auch für das Tischlerhandwerk
war die Bezeichnung Handwerk noch zutreffend, denn alle Erzeugnisse
wurden handgefertigt. An Bauarbeiten
sind Fenster, Türen, Tore und das Verlegen von Holzfußböden,
einschließlich dem Einlassen und Lackieren, sowie Glasarbeiten zu
nennen. Einen breiten Raum
der vielfältigen Tätigkeiten nahmen bei der Herstellung von Möbeln
die Fertigung von kompletten Schlafzimmern ein. Sie waren eine
selbstverständliche Gabe von Eltern für ihre Töchter. Das Schneiderhandwerk
sorgte für Maßkleidung von höchster Qualität für groß und
klein. Hochsaison waren Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Kirchweihfest
und Hochzeiten. Stoff aussuchen, Maß nehmen, Zuschnitt entwerfen,
zuschneiden, nähen, anprobieren und aufbügeln waren die Arbeitsgänge.
Dabei bekamen die Auftraggeber ihren neuen Galaanzug nicht selten erst
wenige Stunden vor dem großen Fest ausgeliefert. Eine einmalige
Besonderheit in unserer Gemeinde war, dass es mehr Bauhandwerker
als Landwirte gab. Der Beruf des Maurers und mit ihm des Zimmerers,
entwickelte sich aus dem Beruf des Stampfers, zunächst innerhalb
unserer Heimatgemeinde. Über die Betätigung vor allem in den
andersnationalen Nachbargemeinden und dem Aufbau der umliegenden,
kaiserlich verliehenen gräflichen Pussten konnten sie ihr Können
weiter entfalten. Landesweite
Dimension und Bekanntheit erlangten unsere Baufachleute ab 1895, als
die österreich-ungarische Monarchie mit dem Ausbau der
Eisenbahnlinien begann. Sie waren an den Strecken in Oberungarn,
Kroatien und Siebenbürgen im Hoch- und Brückenbau beteiligt. Die
Hauptstadt Budapest und andere Städte waren weitere einträgliche
Arbeitsstätten. Als unsere Heimat
nach dem Ersten Weltkrieg Jugoslawien zugeteilt wurde und das
nahe Belgrad zur Residenz und Landeshauptstadt erkoren wurde, waren
unsere Bauhandwerker willkommene Fachleute. Sie waren in beachtlichem
Maße an dem Auf- und Ausbau der bis dahin noch unbekannten und
orientalisch ausgerichteten Stadt zum Paris des Ostens
beteiligt. Bereits im Jahre
1922 waren dort knapp 250 Bulkeser Maurer, rund 50 Zimmerer und etwa
30 Tischler tätig. Markante Gebäude der Metropole wie die Technische
Fakultät, das Bergbau- und Forstministerium, die Belgrader Börse,
das Hochhaus Albania sowie die Banovina in Neusatz, trugen die
Handschrift deutscher und Wertarbeit. Im Jahre 1941
belief sich die Zahl der Bulkeser Bauhandwerker wie folgt: 13 Maurermeister, 8
Maurer- und Betonpoliere, 130 Maurer, 27 Fliesenleger, 8
Baukunstgewerbler, 6 Kessel- und 3 Kaminmaurer, 12 Zimmerermeister,
6 Schalpoliere, 40 Zimmerer sowie 10 Tischlermeister und 40 Tischler.
Die Überlebenden
wurden auch hier in unserer neuen Heimat zum Aufbau unserer völlig
zerstörten Städte dringend benötigt. Es braucht nicht betont zu
werden, dass sie sich viel leichter integrieren konnten als unsere
ehemaligen Landwirte und letztlich fast durchwegs zu wohlhabenden Bürgern
wurden.
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