Landwirtschaft und Handwerk in Bulkes

Was hier zum Ausdruck kommen soll, ist die weitgehende Eigenständigkeit der Donauschwaben in der alten Heimat bei der Befriedigung der Lebensbedürfnisse. Angefangen bei den hochwertigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, über die unentbehrlichen Handwerker mit ihren örtlichen Strukturen, hineinreichend bis in die bauliche Städteentwicklung und dem Ausbau von landesweiten Verkehrswegen. In diesen Zweigen war das deutsche Element im Verhältnis zu seinem Bevölkerungsanteil überdimensioniert, sowohl im Umfang wie im technischen Standard.

Es ist uns ein Anliegen, in den folgenden Zeilen am Beispiel unseres eigenen Heimatortes Bulkes aufzuzeigen, wie vielfältig, praktikabel und naturgemäß anhand des damaligen Entwicklungsstandes gewirtschaftet wurde. Unsere heutigen Umweltschützer hätten an den umweltschonenden und beispielhaft realen Wirtschaftskreisläufen ihre helle Freude gehabt. Hierbei ist zu beachten, dass es nicht nur um die Be- und Verarbeitung bei Erzeugnissen und Waren ging, sondern dass darin alle Menschen vom Kind bis zum Greis, je nach ihren Möglichkeiten, vom Familienverbund bis zum dörflichen Gemeinwesen mit einbezogen waren. Ein jeder hatte seine gebührende Aufgabe, ein jeder war gezählt, ein jeder war Mitglied einer großen Gemeinschaft. Vielleicht ist das ein nicht unerheblicher Grund, warum wir, obwohl wir zum Teil noch Kinder und Jugendliche waren, noch so mit der ehemaligen Dorfgemeinschaft verbunden sind und unsere Heimattreffen immer noch einen erstaunlich hohen Zuspruch finden.      

Wir denken, es ist auch für unsere Nachkommen nicht uninteressant, am Rande über heute ausgestorbene berufs- und tätigkeitsbezogene Sitten und Bräuche zu erfahren. Nicht zuletzt deshalb, weil sie auch heutzutage noch vielerorts von Nöten wären. Natürlich können an dieser Stelle nur einige wenige dieser Berufe und Abläufe aus Platzgründen mit einigen Zeilen beschrieben werden. Sie sollen stellvertretend für alle anderen andeuten, was in einer für heutige Verhältnisse überholten und völlig unterschätzten Zeit an hohem Lebensstandard, insbesondere auf dem Ernährungssektor, möglich war.


Erzeugnisse der Landwirtschaft und ihre Verarbeitung vor Ort:

Fleisch von frei laufenden Tieren: Nicht nur Hühner, Gänse und Enten, sondern auch Schweine und Kühe waren von Frühjahr bis zum Herbst täglich und oft ganztägig auf der Weide oder am Wasser. Dabei handelte es sich jeweils, den günstigen Klimabedingungen angepasst, um eine hochwertige Viehwirtschaft mit über die Grenzen hinaus anerkannten Züchtungen. Zum nahrungsmäßigen Ausgleich und bei Stallfütterung im Winter diente zur  Fütterung: frischer Klee, junges Maislaub, Rüben und Kürbisse als Frischfutter, sowie Mais und Getreide auch als Schrot und Kleie; Klee, Luzerne und Mohar als Heu, sowie getrocknetes Maislaub und Haferstroh als natürliches und nahrhaftes Trockenfutter.

Die Familien schlachteten im Herbst so viele Schweine wie nötig, um den Jahresbedarf an Wurst, Schinken und Fett zu decken. Rind- und Kalbfleisch gab es in der Regel an Wochenenden vom Metzger, Geflügelfleisch im eigenen Haus, je nach Bedarf.

Alle denkbaren Beeren- und Obstsorten mit Nüssen kamen aus eigenem Anbau. Sie wurden eingeweckt, gedörrt und zu Saft, Marmelade und auch Schnaps für den ganzjährigen Verbrauch verarbeitet. Trauben zur Wein- und Hopfen bzw. Gerste zur Biererzeugung gehörten dazu.  

Neben allen in Mitteleuropa verbreiteten Gemüsesorten wurden auch wärmeliebende Arten wie Paprika, Kürbisse und Melonen in den verschiedensten Sorten angebaut. 

Zur Mehl- und Zuckererzeugung waren Weizen und Zuckerrüben im Überschuß vorhanden, ebenso Kartoffeln. Letztlich wurden auch alle Milchprodukte in jedem Haus selbst erzeugt.

Zur natürlichen Lagerung der vielen aufzubewahrenden Lebensmittel gab es in den Kellern mit Lehmboden beste Voraussetzungen.

Mit Ausnahme der Sonnenblumen sind alle anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse ursprünglich aus dem Eigenbedarf hervorgegangen und waren aus dem internen Wirtschaftskreislauf nicht wegzudenken.

Das hochwertigste Erzeugnis war der Hanf, das weiße Gold der Region. Für den Export wurde er vor Ort einer ersten Verarbeitung durch das Entfernen der Stengel unterzogen. Für den Eigenbedarf wurde er in allen Phasen selbst verarbeitet, bis zur Arbeitskleidung und Bettwäsche.

Viele Abfälle aus Erzeugnissen wurde zu weiteren Verbraucherprodukten verwendet oder verarbeitet. Hier einige Beispiele:

Zu Heizmaterial: Hanfstengelreste, Maisstengelwurzeln, Maiskolbenbutzen, Weinreben
Zu Baumaterial: Getreidespreu
Zu Viehstreu: Molke, Weizenkleie, Küchenabfälle
Zu Viehfutter: Molke, Weizenkleie, Küchenabfälle
Zur Düngung: Viehmist
Zu Schnaps: ausgepresste Weintrauben, Maulbeeren
Zum Bügeln: Holzkohle
Zu Seife:   Schweinefettreste
Zu Teppichen: Altkleidung
Zu Seilen:  Kornstroh

 
Berufe, die mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Naturprodukten zusammenhingen:

Hanf: Weber, Hächler, Seiler, Sattler, Schneider
Lehm: Maurer/Stampfer, Ziegelbrenner, Dachdecker
Tierhäute: Schuster, Opankenmacher, Sattler, Schinder
Schafswolle:  Stricker
Eis: im Kühlhaus für Gastwirte
Honig:  Lebzelter
Weiden:   Korbmacher
Rohr:   Dachdecker
Mehl:   Bäcker, Müller
Vieh:   Metzger, Viehhändler


Berufe für überwiegend landwirtschaftliche Bedürfnisse

Fassbinder, Korbmacher, Wagner, Schlosser, Schmied, Spengler, Hächler, Opankenmacher, Sattler, Seiler, sowie die unter Landwirtschaft angeführten Tätigkeiten.


Tätigkeiten und Erzeugnisse einiger Berufe im örtlichen Wirtschaftskreislauf

Obwohl zu einer Hausfrau keine offizielle Lehre gehörte, war es ein sehr schwerer und äußerst verantwortungsvoller Beruf. Die Tüchtigkeit der Hausfrau war einer der Hauptfaktoren für den Lebensstandard der Familie. Sie beherrschte eine Vielzahl von Tätigkeiten, die angelernt werden mussten. Die hohe Kunst des Kochens und Backens mit  unzähligen Rezepten war von Generation zu Generation verfeinert worden. Hinzu kam der ortsweite und auch ortsübergreifende rege Erfahrungsaustausch der Frauen untereinander. Die weitere Palette: einwecken, Marmelade und Säfte einkochen, Brot mit Flammkuchen im hauseigenen Backofen backen, Seife kochen, Geflügel schlachten, Wolle und Hanf spinnen, das sehr schwere Wäschewaschen, in der Regel von Hand, Reinigen von Hof, Räumen und Kleidern, bügeln, nähen mit zuschneiden, stricken, häkeln, sticken, flicken, Kühe melken, Milch zu Butter und Käse verarbeiten, Garten-, Stall- und Feldarbeiten verrichten, Häuser weißeln, Kinder erziehen mit Schularbeiten überwachen, usw.

Das Wagnerhandwerk war seit der Ansiedlung ein nicht wegzudenkender Beruf. Die in unserem Heimatort in drei verschiedenen Längen gebauten Holzwagen waren vermutlich die leichtesten auf der ganzen Welt. Sie bestanden aus rund 25 Einzelteilen und aus 4-5 einheimischen Holzarten wie Ulme, Eiche, Akazie, Esche und Weißbuche.

Weitere nennenswerte Erzeugnisse des Wagners waren der vorwiegend aus Akazienholz  bestehende Schubkarren und die aus Nuss- oder Maulbeerholz bestehenden Hanfbrechen.

Das Schmiedehandwerk beinhaltete die Pflege und das Beschlagen der Pferdehufe von rund 500 in unserer Ortschaft vorhandenen Pferden, der Fertigung von Eisenteilen wie Eisenreifen und Beschläge für Bauernwagen, Schubkarren, Holzwalzen, Holzschuhen und Windmühlen.

Die Herstellung von Pflügen, Eggen, Schleifen, Rübenschneidern, Hanfmessern, Eisenkreuzen, Riegel, Scharnieren, Werkzeugen und vieles andere mehr.

Reparaturen der genannten Gegenstände, Schärfen der Pflugscharen an den späten Abenden und frühmorgens, sowie der Werkzeuge für die Bauhandwerker am Wochenende. 

Auch für das Tischlerhandwerk war die Bezeichnung Handwerk noch zutreffend, denn alle Erzeugnisse wurden handgefertigt.

An Bauarbeiten sind Fenster, Türen, Tore und das Verlegen von Holzfußböden, einschließlich dem Einlassen und Lackieren, sowie Glasarbeiten zu nennen.

Einen breiten Raum der vielfältigen Tätigkeiten nahmen bei der Herstellung von Möbeln die Fertigung von kompletten Schlafzimmern ein. Sie waren eine selbstverständliche Gabe von Eltern für ihre Töchter.

Das Schneiderhandwerk sorgte für Maßkleidung von höchster Qualität für groß und klein. Hochsaison waren Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Kirchweihfest und Hochzeiten. Stoff aussuchen, Maß nehmen, Zuschnitt entwerfen, zuschneiden, nähen, anprobieren und aufbügeln waren die Arbeitsgänge. Dabei bekamen die Auftraggeber ihren neuen Galaanzug nicht selten erst wenige Stunden vor dem großen Fest ausgeliefert.

Eine einmalige Besonderheit in unserer Gemeinde war, dass es mehr Bauhandwerker als Landwirte gab. Der Beruf des Maurers und mit ihm des Zimmerers, entwickelte sich aus dem Beruf des Stampfers, zunächst innerhalb unserer Heimatgemeinde. Über die Betätigung vor allem in den andersnationalen Nachbargemeinden und dem Aufbau der umliegenden, kaiserlich verliehenen gräflichen Pussten konnten sie ihr Können weiter entfalten.

Landesweite Dimension und Bekanntheit erlangten unsere Baufachleute ab 1895, als die österreich-ungarische Monarchie mit dem Ausbau der Eisenbahnlinien begann. Sie waren an den Strecken in Oberungarn, Kroatien und Siebenbürgen im Hoch- und Brückenbau beteiligt. Die Hauptstadt Budapest und andere Städte waren weitere einträgliche Arbeitsstätten.

Als unsere Heimat nach dem Ersten Weltkrieg Jugoslawien zugeteilt wurde und das nahe Belgrad zur Residenz und Landeshauptstadt erkoren wurde, waren unsere Bauhandwerker willkommene Fachleute. Sie waren in beachtlichem Maße an dem Auf- und Ausbau der bis dahin noch unbekannten und orientalisch ausgerichteten Stadt zum Paris des Ostens beteiligt.

Bereits im Jahre 1922 waren dort knapp 250 Bulkeser Maurer, rund 50 Zimmerer und etwa 30 Tischler tätig. Markante Gebäude der Metropole wie die Technische Fakultät, das Bergbau- und Forstministerium, die Belgrader Börse, das Hochhaus Albania sowie die Banovina in Neusatz, trugen die Handschrift deutscher und Wertarbeit.

Im Jahre 1941 belief sich die Zahl der Bulkeser Bauhandwerker wie folgt:

13 Maurermeister, 8 Maurer- und Betonpoliere, 130 Maurer, 27 Fliesenleger, 8 Baukunstgewerbler, 6 Kessel- und 3 Kaminmaurer, 12 Zimmerermeister, 6 Schalpoliere, 40 Zimmerer sowie 10 Tischlermeister und 40 Tischler. 

Die Überlebenden wurden auch hier in unserer neuen Heimat zum Aufbau unserer völlig zerstörten Städte dringend benötigt. Es braucht nicht betont zu werden, dass sie sich viel leichter integrieren konnten als unsere ehemaligen Landwirte und letztlich fast durchwegs zu wohlhabenden Bürgern wurden.


Die abschließende Aufstellung zeigt die ganze Bandbreite von Berufen und berufsähnlichen Tätigkeiten eines 2600-Seelen-Dorfes:

Holz: 
Bürstenbinder
Dreher
Faßbinder
Korbmacher
Mühlen-Tischler
Tischler
Wagner
Zimmermann

Metall:
Büchsenmacher
Elektriker
Schlosser
Schmied
Siebmacher
Spengler

Bau / Steine / Erden:
Brunnenbauer
Fliesenleger
Maler
Maurer
Ofensetzer
Rohrdachdecker
Steinmetz
Ziegelbrenner

Verwaltung:
Gemeindearbeiter
Notar
Polizist
Kleidung / Textil / Leder:
Damen-Schneiderin
Färber
Hächler
Herren-Schneider
Hutmacher
Kürschner
Opankenmacher
Sattler/Riemer
Schuster
Seiler
Stricker
Weber

Land- und Hauswirtschaft:
Gutshof-Bewirtschafter
Hausfrau
Hirte
Knecht
Landwirt
Magd
Schinder/Abdecker
Tagelöhner

Ernährung:
Bäcker
Gastwirt
Köchin
Lebzelter
Metzger
Müller
Schnapsbrenner
Sodawasser-Erzeuger
Sonstige:
Bildhauer
Fotograf
Friseur
Graveur
Musikant
Postbote

Handel und Verkehr:
Bahnarbeiter
Buchhalter
Früchtehändler
Fuhrmann
Holzhändler
Kaufmann
Maschinenhändler
Viehhändler

Sozialberufe:
Arzt
Apotheker
Hebamme
Kindergärtnerin
Lehrer
Pfarrer

Fabriken / Betriebe:
Elektrizitätswerk
Hanffabrik
Kalkbrennerei
Mühle
Ziegelei